Wozu Deutsch?
Über die zwei großen Ziele des Deutschunterrichts
Schüler zum Deutschlehrer: „Dass wir Englisch lernen müssen, das sehe ich ein. Aber Deutsch? Das können wir doch!“
Kein Zweifel, schon die Schülerinnen und Schüler unserer fünften Klasse vollbringen beachtliche sprachliche Leistungen, wenn sie sich auf dem Schulhof oder auch in der Klasse mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern auseinandersetzen. Etwas anders sieht das aus, wenn man sie – die Fünftklässler, aber auch ältere Schülerinnen und Schüler – bittet, Gedanken, Geschichten, Anweisungen oder Argumente zusammenhängend zu Papier zu bringen. In der schriftlichen Darstellung, aber auch in der mündlichen – etwa in höheren Jahrgangsstufen bei Referaten – gelingt beileibe nicht alles zur Zufriedenheit.
Es ist zu hoffen, dass der eingangs erwähnte Schüler im Laufe seines Schülerlebens so viel Englisch gelernt haben wird, dass er den Satz des englischen Dichters Ben Jonson versteht, der schon vor mehr als 400 Jahren wusste: “Talking and eloquence are not the same: to speak, and to speak well, are two things.” (Reden und Wortgewandtheit sind nicht dasselbe: Sprechen und gut sprechen sind zwei Dinge.)
Natürlich entwickeln sich die sprachlichen Fähigkeiten im Laufe des Lebens, aber wenn man das Ziel vor Augen hat, dass unsere Schülerinnen und Schüler – wenn sie die Schule verlassen – in vielen Situationen geschickt mit der deutschen Sprache umgehen können, dann kann man nicht alles der natürlichen Entwicklung überlassen. Nicht einmal das Verständnis von Texten ist naturgegeben, sondern entwickelt sich nur durch bewusste Auseinandersetzung mit gelungenen und weniger gelungenen Beispielen von Sprachverwendung, durch das Sprechen darüber und durch eigenes Ausprobieren und Üben.
Ist das eine Ziel des Deutschunterrichts, die Schülerinnen und Schüler geschickt(er) zu machen in ihrem Umgang mit der Sprache, so hängt das andere damit zusammen, dass die Beschäftigung mit Sprache ohne die Beschäftigung mit Inhalten schwer vorstellbar ist. Ob die eigene Kommunikation mit Mitschülerinnen, Mitschülern oder auch Erwachsenen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht oder das Verständnis von Texten, immer wird es darum gehen, das Gesagte oder Geschriebene zu reflektieren, auf sich zu beziehen, ggf. eine Position dazu einzunehmen und diese zu begründen. In diesem Sinne leistet der Deutschunterricht auch einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Das ist das zweite große Ziel des Deutschunterrichts, ein großes Ziel, das – zusammen mit dem erstgenannten – für die große Vielfalt der Aktivitäten innerhalb dieses Faches verantwortlich ist.