Gerechtigkeit & Billigkeit

Um diese beiden im Unterricht im Rahmen der Funktionen des Rechts behandelten Begriffe genauer kennen zu lernen, verbrachte die Klasse 10b einen Vormittag am Amtsgericht Erlangen.
Es war eine Jugendstrafgerichtsverhandlung angesetzt.
Der zum Tatzeitpunkt 19-jährige Arbeitslose aus Büchenbach hatte ohne ersichtlichen Grund seinem Kontrahenten mit einem Fußtritt die Nase gebrochen und eine schwere Gehirnerschütterung verursacht. Die Folge war eine Schlägerei von fünf erheblich alkoholisierten jungen Männern.
Nach über einer Stunde Beweisaufnahme durch Zeugenaussagen zog sich der Verteidiger zu einer Beratung mit dem Beschuldigten zurück. Die erdrückenden Schilderungen einer Zeugin zwangen den jungen Erwachsenen zu einem Geständnis. Aufgrund zahlreicher vorangegangener Verurteilungen wurde dem Angeklagten bei der Verkündung des Urteils durch die Richterin ordentlich der „Kopf gewaschen“. Durch die Aussagen einer Betreuerin des Jugendamtes und der Schilderung seiner familiären Situation wurde den Schülerinnen und Schülern sehr deutlich aufgezeigt wie in diesem Fall die Billigkeit Einfluss auf den Ausgang der Verhandlung nahm. Neben der Strafe auf Bewährung wurden Sozialarbeit (80 Stunden !) und ein weisungsbefugter Betreuer angeordnet.
Nach eineinhalb Stunden Verhandlung erklärte sich die Richterin Frau Frank-Dauphin spontan bereit den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort zu stehen. Sie erklärte einige Beweggründe für ihre Urteilsfindung und erläuterte mögliche Auswirkungen weiterer Verstöße auf die Bewährungsstrafe. Mit einer knappen Erklärung der absoluten und relativen Straftheorie gab sie einen Ausblick auf die kommenden Unterrichtsstunden.
Vor der Verabschiedung durften die Schülerinnen und Schüler noch auf den Sitzen der Presse, der Zeugen, der Angeklagten und Anwälte Platz nehmen – der Richterstuhl blieb besser frei.

(OStR Ochmann)